Förderverein Historische Westsächsische Eisenbahnen e.V.

Artikel aus der Juli-Ausgabe des Eisenbahn-Journals aus dem Jahr 2004

Die Wilzschtalbahn Schönheide Süd-Carlsfeld

Auf der „Himmelsleiter”

Skizze: Drosdeck
Streckenskizze der WCd, Abschnitt Schönheide Süd - Carlsfeld.
Skizze: Drosdeck

Foto: Sammlung Scholz/Meier

Diese alte Ansichtskarte zeigt das Empfangsgebäude des früher so benannten Bahnhofs Wilzschhaus. Der rechts stehende Regelspurzug ist unterwegs nach Adorf, wogegen links der Schmalspurzug auf umsteigende Reisende in Richtung Carlsfeld wartet.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Sammlung Scholz/Meier

Vom Dach der Umladehalle bietet sich dem Fotografen dieser Blick auf die Rollwagengrube und Ausfahrt nach Carlsfeld.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Sammlung Scholz/Meier

Das erste Anschlussgleis der Wilzschtalbahn befand sich unmittelbar hinter der Muldenbrücke und führte zum Holzladeplatz. Auf der Brücke ein nach Carlsfeld aufbrechender GmP.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Sammlung Scholz/Meier

Der Morgennebel hängt noch in den Fichten, als 99 579 mit dem ersten Zug des Tages im Bahnhof Wilzschmühle ankommt. Rechts die Laderampe des des gegenüberliegenden Sägewerks mit Feldbahnanschluss.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Sammlung Scholz/Meier

99 591 im Hp Wiesenhaus. Nur ein gesandeter Bahnsteigstreifen und ein an den Telegrafenmast genageltes Stationsschild beschreiben die Schmalspuridylle.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Sammlung Scholz/Meier

Aus dem Packwagen heraus erfolgte im Sommer 1963 dieser Schnappschuss bei der Ausfahrt aus dem Hp. Blechhammer hinaus auf die „Himmelsleiter”.
Foto: Sammlung Scholz/Meier

Foto: Hauptvogel

Bahnhof Carlsfeld zur frühen DRG-Zeit mit der erst 1933 ausgebauten Segmentdrehscheibe.
Foto: Hauptvogel

Foto: Drosdeck

70 Jahre später entstand die Aufnahme von 99 568 am vom Verein FHWE restaurierten Lokschuppen.
Foto: Drosdeck

Foto: Hauptvogel

Der Anschluss Glaswerk. Die Höhe der Verwehungen zeugt vom schwierigen Winterbetrieb.
Foto: Hauptvogel

. Nicht nur der steilste Abschnitt auf sächsischen Schmalspurstrecken und einige Anschlussbahnen sowie ein reger Güterverkehr zeichnen diesen stillgelegten Streckenabschnitt der sogenannten WCd-Linie aus - nein, natürlich auch der in Angriff genommene Wiederaufbau im Endbahnhof.

Bereits vor der Eröffnung der ersten sächsischen Schmalspurbahn von Wilkau-Haßlau nach Kirchberg, am 16. Oktober 1881 diskutierte man über deren Fortführung in Richtung Schönheide. Im März 1890 wurde schließlich festgelegt, dass die neue Schmalspurbahn in Wilzschhaus, dem heutigen Bahnhof Schönheide Süd, in die CA Linie Chemnitz Aue Adorf einzubinden sei. Am 14. Dezember 1893 ging der neue Streckenteil der Linie Wilkau-Haßlau Carlsfeld in Betrieb.

Noch im gleichen Jahr petitionierten mehrere Vertreter der Carlsfelder Glas- sowie der Holzindustrie an die sächsische Regierung, die Schmalspurbahn nach Carlsfeld zu verlängern. Der neue Bahnanschluss sollte die Armut in Carlsfeld endlich besiegen, beispielsweise indem durch die verbesserten Transportmöglichkeiten die seit 1891 ruhende Produktion in „Weiters Glashütte” wieder aufgenommen werden sollte. Obwohl von vornherein Bedenken bestanden. ob der Streckenteil Schönheide Süd-Carlsfeld jemals rentabel zu betreiben sei, kam im November 1893 die Genehmigung zum Bau der Wilzschtalbahn. Baubeginn war im Mai 1896. Noch im gleichen Jahr wurden alle Eisenbahnbrücken im Neubauabschnitt fertig gestellt. Drei von ihnen entstanden aus Beton, was damals den neuesten Stand der Bautechnik darstellte. Ebenfalls 1896 begann man mit der Umgestaltung des Bahnhofs Schönheide Süd. Am 18. Juni 1897 verkehrte ein Abnahmezug nach Carlsfeld. Technische Probleme gab es keine, auch hegte man keine Bedenken an der Betriebssicherheit beim Befahren der 50 Promille Steigung zwischen Blechhammer und Carlsfeld, der so genannten Himmelsleiter. Eine derartige Neigung wurde auf einer sächsischen Eisenbahn zum ersten Mal im reinen Adhäsionsbetrieb angewandt. Die Baukosten der Strecke Schönheide Süd-Carlsfeld betrugen 605 000 Mark. Am 21. Juni 1897 wurde die Strecke feierlich eröffnet.

Während der gesamten Betriebsgeschichte des Streckenabschnitts Schönheide Süd-Carlsfeld war dieser der mit dem geringsten Verkehrsaufkommen der WCd. Die Wilzschtalbahn konnte niemals rentabel betrieben werden, sondern erforderte immer Zuschüsse. Die Ausstattung der 7,4 Kilometer langen Strecke war äußerst simpel. Eine Kreuzungsmöglichkeit bestand im Bahnhof Wilzschmühle, der zwei Gleise besaß. Das Gleis 2 diente jedoch zumeist dem Be- und Entladen von Güterwagen und nicht für Zugkreuzungen. Die anderen beiden „Stationen” an der Wilzschtalbahn, Wiesenhaus und Blechhammer, waren nur Haltepunkte ohne Weichen. Beim Bahnbau 1896 wurde auch der einständige Lokschuppen in Carlsfeld errichtet, der dem Lokbahnhof Kirchberg zugeteilt war.

Die Bahnunterhaltung zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld oblag bis zum 1. April 1955 der Bm Tannenbergsthal, ab da der Bm Falkenstein. Die Zuglast zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld betrug maximal 150 Tonnen. Eine IV K konnte somit drei, im Höchstfalle aber vier Reisezugwagen über die 50 Promille Steigung hinauf nach Carlsfeld ziehen. Die Höchstgeschwindigkeit betrug aufgrund der Steigungsverhältnisse nur 15 km/h.

Das Reiseverkehrsaufkommen auf der Wilzschtalbahn lebte sowohl vom Berufs- als auch vom Ausflugsverkehr. Im Berufsverkehr fuhren die Arbeiter vor allem zum Sägewerk der Firma Albrecht Glöckner nach Wilzschmühle, das über 40 Arbeitskräfte beschäftigte. Des Weiteren arbeitete eine Anzahl Arbeiter mit Wohnsitz in Carlsfeld in der Gießerei sowie dem Faserplattenwerk in Schönheide. Mit dem Frühzug gelangten sie von Carlsfeld nach Schönheide Süd und von hier auf der CA Linie weiter bis nach Schönheide Ost. 1964 benutzten zirka 150 Reisende täglich die Schmalspurbahn zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld. Dieses Verkehrsaufkommen nimmt sich im Vergleich zum Streckenabschnitt Wilkau-Haßlau Kirchberg mit 1770 täglichen Fahrgästen in 1964 äußerst bescheiden aus.

Anders sah die Situation zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld an Sonn- und Feiertagen aus. Bei günstiger Wetterlage hatten die Schmalspurzüge auf der Wilzschtalbahn an solchen Tagen 300 bis 400 Reisende zu verkraften. Im Sommer waren vor allem Wanderer sowie Beeren- und Pilzsammler mit der Bahn unterwegs, im Winter gab es einen nicht unbeachtlichen Wintersportverkehr nach Carlsfeld.

Einer der wichtigsten Kunden der Schmalspurbahn Schönheide Süd Carlsfeld im Güterverkehr war über Jahrzehnte hinweg das Glashüttenwerk Carlsfeld, welches Glasflaschen für die kosmetische Industrie produzierte. Die Firma Albrecht Glöckner, ein Sägewerk, brachte der Schmalspurbahn mit ihrem Stammbetrieb in Wilzschmühle sowie mit dem Zweigbetrieb zwischen Blechhammer und Carlsfeld ebenfalls einen großen Teil des Verkehrsaufkommens. Nicht zu vergessen, sorgte das Anschlussgleis der Firma Richard Fischer am Haltepunkt Blechhammer für Transportaufträge bei der Schmalspurbahn. Produziert wurde hier Holzstoff, eine Grundlage für die Papierproduktion. Rollwagenverkehr war auf der Wilzschtalbahn grundsätzlich nur zwischen Schönheide Süd und Wilzschmühle zugelassen. Zwischen Wilzschmühle und Carlsfeld verbot sich diese Transporttechnologie aufgrund der 50 Promille Steigung zwischen Blechhammer und Carlsfeld.

Ab 1958 bekam die Schmalspurbahn zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld Konkurrenz durch den Kraftverkehr Rodewisch, der nachdem Bau zweier Garagen in Carlsfeld eine Buslinie Schönheide-Carlsfeld eröffnete.

Die WCd Linie war während ihrer gesamten 70 Betriebsjahre eine Domäne der sächsischen IV K. Ob zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld überhaupt je eine andere Lok, z.B. der Gattung 1 K, gefahren ist, kann angezweifelt werden. Denn selbst die Zugkräfte der IV K waren hier aufgrund der 50 Promille Steigung begrenzt. Zudem zeigen historische Aufnahmen von der Wilzschtalbahn stets IV K bespannte Züge. 1896 kamen mit der späteren 99 529 (Bahnnummer 121) und mit der Bahnnummer 123, die aufgrund ihrer Abgabe als Reparationsleistung nach dem Ersten Weltkrieg keine Reichsbahnnummer mehr erhielt, zwei neue Maschinen der Gattung IV K zur WCd. Nachts verblieb eine Lok stets im Carlsfelder Lokschuppen, um früh morgens den ersten hier beginnenden Zug in Richtung Schönheide zu bespannen. Seit 1963 befuhr die WCd auch die rekonstruierte Variante der IV K. Die bei der Museumsbahn Schönheide hinterstellte 99 585 leistete 1966 in ihrem heutigen Zustand als Rekolok noch auf der kompletten WCd Dienst und kam so auch nach Carlsfeld.

Eine Geschichte für sich stellte auf der Wilzschtalbahn jedes Jahr der Kampf gegen die Schneemassen dar. Der große Aufwand zum Erhalt der Betriebsbereitschaft der Schmalspurbahn war ein Mitgrund für deren zeitige Stilllegung. Nicht immer gelang es, den Bahnbetrieb nach Carlsfeld im Winter aufrechtzuerhalten. So blieb am 27. Februar 1965 beispielsweise der GmP 11696 aus Carlsfeld noch vor Schönheide Süd in einer Schneewehe stecken.

Die sehr hohen Betriebskosten des Streckenteils Schönheide Süd Carlsfeld, an denen die harten Winter ihren Anteil hatten, stellten einen wesentlichen Grund für das Bestreben der Deutschen Reichsbahn dar, die Wilzschtalbahn als ersten Teilabschnitt der WCd stillzulegen. Ein weiteres Problem war, dass Güter von und nach Carlsfeld zwischen Regel- und Schmalspurwagen stets umgeladen werden mussten, zumeist in Wilkau-Haßlau. Die Stilllegung des Streckenabschnitts Schönheide Süd Carlsfeld hielt man somit für unumgänglich. Der 21. Mai 1966 wurde zum letzten Tag des Reiseverkehrs Schönheide Süd Carlsfeld. Die 99 592 zog am Abend dieses Tages mit dem GmP 11698 den letzten Zug mit Personenbeförderung über die Wilzschtalbahn. Unter anhaltendem Pfeifen und Läuten verabschiedete sich die Schmalspurbahn von der Bevölkerung. Am 14 Juli 1967 fuhr auch zum letzten Mal ein Güterzug von Schönheide Süd nach Carlsfeld, bespannt mit der Lok 99 586. Dabei wurde auch letztmalig der Anschluss des Glashüttenwerkes bedient. Der Streckenrückbau begann am 25. Oktober 1969 in Carlsfeld. In rund einem Monat schaffte man es, die Gleise bis zum Haltepunkt Wiesenhaus zu demontieren. Wegen der starken Schneefälle im Winter 1969/70 blieben die rund 1,8 Kilometer Strecke über den Winter noch liegen. Weiter ging es vom 11. April bis 30. April 1970. In diesem Zeitraum baute man die Reststrecke zurück.

1990 gründete sich in Carlsfeld eine Interessengruppe, die sich den Wiederaufbau der Wilzschtalbahn und deren Betrieb als Museumsbahn zum Ziel gesetzt hatte. 1991 schlossen sich diese Eisenbahnfreunde der damaligen Museumsbahn Schönheide/Carlsfeld e.V. an. Dieser Verein hatte nun auch den Wiederaufbau zwischen Schönheide Süd und Carlsfeld in seiner Satzung verankert. Nach 1996 entstanden in der Museumsbahn aber Interessenskonflikte, in deren Auswirkung die Aktivitäten in Carlsfeld fallen gelassen wurden. 1999 gründete sich deshalb der Förderverein Historische Westsächsische Eisenbahnen e.V. (FHWE), der sich erneut der Wilzschtalbahn widmet. Noch vor der Vereinsgründung gelang es 1998 den begonnenen Abriss des Carlsfelder Lokschuppens zu stoppen. Zwischen 2000 und 2003 wurde er komplett saniert und ein erstes Gleis verlegt. Im Herbst 2003 verweilte für rund drei Monate mit der Jöhstädter 99 568 zum ersten Mal seit 1967 wieder eine IV K in Carlsfeld, einer der bisherigen Höhepunkte in der Vereinsgeschichte des FHWE. 2004 werden die Carlsfelder Bahnhofsgleise wieder aufgebaut. Über 35 Jahre nach ihrer Stilllegung ist die Wilzschtalbahn also nicht vergessen, noch lange nicht gestorben und der aktuelle Stand der Wiederaufbauaktivitäten ständig unter der Internetadresse www.fhwe.de zu finden.

Text von Holger Drosdeck

FHWE-Presseartikel

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